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Kunsthistorisches Institut

Jahrbuch 2019/2020

 

OTTO KARL WERCKMEISTER

The Political Confrontation of the Arts in Europe from the Great Depression to the Second World War, Heidelberg: arthistoricum.net, 2020

Thema
Von 1929 bis 1939, im Jahrzehnt vom Beginn der Weltwirtschaftskrise bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, wurden die Künste in Europa stärker politisiert als zuvor. Regierungen, Parteien und Interessengruppen drängten darauf, sie einer Innenpolitik gesellschaftlicher Stabilisierung und einer Außenpolitik staatlicher Selbstbehauptung dienstbar zu machen. Kunstpolitische Richtlinien und ideologische Kunstprogramme schränkten die relative Freiheit, die ihnen nach dem Ersten Weltkrieg zugefallen war, immer weiter ein. So wurden sie in die Auseinandersetzungen zwischen den politischen Systemen hineingezogen, die zum Zweiten Weltkrieg führten. Sie verfingen sich in einem dreiseitigen Konflikt zwischen Kommunismus, ‚Faschismus‘ und Demokratie. Es kam zu einer politischen Konfrontation der Künste.

Historiografische Kritik
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und seit Beginn des Kalten Krieges wurde diese Konfrontation in ideologischer Schematisierung angesprochen. Eine vereinfachte Gleichsetzung von Kommunismus und Nationalsozialismus unter dem Begriff des Totalitarismus wurde dem Verständnis des Antagonismus zwischen traditioneller und moderner Kunst zugrunde gelegt. Da sowohl in der Sowjetunion als auch im Dritten Reich die traditionelle Kunst einseitig gefördert und die moderne summarisch unterdrückt worden war, überhöhte man moderne Kunst im Namen der Freiheit nachträglich zur Kunst der Demokratie. Im Jahrzehnt der Wirtschaftskrise dagegen rangen beide sowohl in totalitären als auch in demokratischen Staaten noch um Akzeptanz. Obwohl das moderne Prinzip subjektiver Ausdrucksfreiheit war zwar de facto ein demokratisches Grundrecht war und ist, erforderte es kein Bekenntnis zur Demokratie.

Historische Revision
Heute ist die weltweite Polarisiereng zwischen Demokratie und Kommunismus, die im Kalten Kriege ausgefochten wurde, multilateralen politischen Konflikten zwischen demokratischen und autoritären Staaten gewichen, die gleichwohl in der kapitalistischen Weltwirtschaft miteinander vernetzt sind. miteinander konkurrieren, und durch Stellvertreterkriege militärisch abzusichern suchen. In der flankierenden neoliberalen Kultur floriert die moderne Kunst auf dem Weltmarkt und hat deshalb eine weltweite kulturpolitische Dominanz gewonnen, die sich über jene Konflikte hinwegsetzt. Ihre triumphalistische Inszenierung verengt im Rückblick die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert auf ‚die Moderne‘ als hypostasierte Epoche. Im Widerspruch zu dieser Hypostasierung versuche ich im vorliegenden Buch die politische Geschichte ihrer Konkurrenz mit der traditionellen Kunst in Erinnerung zu rufen.

Begrifflichkeit
Die überbordende Literatur über die Kunst der ‚dreißiger Jahre ‘hat noch immer keine begrifflich schlüssige chronologische Gesamtdarstellung hervorgebracht. Wie instruktiv auch immer sie unsere Kenntnisse erweitert und vertieft, ist sie doch zusammenhanglos geblieben. Ihre akademischen und öffentlichen Vorbedingungen unterwerfen sie dem neoliberalen Prinzip planlosen Wachstums, das konkurrierende Redundanz und unnötige Erneuerung befördert. Daher ist die Literatur über jede bibliografisch verantwortliche Synthese im Denken eines Einzelnen hinausgewachsen. So ist auch dieses Buch keine Synthese, sondern ein Argument, das ausgewählte Quellen und Forschungsergebnisse unter den beiden Grundbegriffen der politischen Geschichte—Politik und Ideologie—zusammenfasst. Meine Begrifflichkeit ist epistemologisch, nicht substanziell, lässt sich im Oxford English Dictionary kritisch nachprüfen und von allen Lesern teilen oder präzisieren. Sie sollte auch eine Kritik des ganzen Buchs nachvollziehbar machen.

Short Table of Content

1       Policies

1.1/         Traditional versus Modern Art

1.2  /        Totalitarian Art Policy

1.3  /        Democratic Art Policy

 

2       IDEOLOGIES       

2.1/         Art of the People

2.2  /               Revolutionary Art

2.3/                 Ideologies and Policies

 

3      ARTISTs

3.1/                 Political Activity

3.2/                 Political Oppression

3.3/                Political Resistance

 

4       TOWARD WAR

4.1/                 Art Policy and War Policy

4.2/                 The Last Stand of Revolutionary Art

4.3/                 Traditional versus Modern Art Revisited

 

 

Weiterführende Informationen

Buchumschlag Band 24/25

The Political Confrontation of the Arts in Europe

OKW_Autorenporträt

CURRICULUM VITAE

Otto Karl Werckmeister, 1934 in Berlin geboren, studierte Kunstgeschichte, Philosophie und neuere deutsche Literaturgeschichte an der Freien Universität Berlin und promovierte dort 1958 mit einer Dissertation über spätkarolingische Goldschmiedekunst. Nach mehrjährigen Forschungsaufträgen am Warburg Institute (University of London) und am Deutschen Archäologischen Institut, Abteilung Madrid, wurde er 1965 als Associate Professor an die University of California, Los Angeles, berufen und dort 1971 zum Professor ernannt. 1972–1974 und 1983–1984 war er Vorsitzender der Fachgruppe Kunstgeschichte an dieser Universität. 1984–2001 lehrte er als Mary Jane Crowe Distinguished Professor in Art History an der Northwestern University in Evanston, Illinois. Seit 2001 lebt er wieder in Berlin.

1976 gründet Werckmeister zusammen mit T. J. Clark and David Kunzle den ‘Caucus for Marxism and Art’ innerhalb der College Art Association of America. 1981–82 war er John Simon Guggenheim Memorial Fellow, 1986–87 Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. 1979 war er Gastprofessor an der Universität Marburg, 1981 an der University of Texas in Austin, 1983 an der Northwestern University, 1991 an der Universität Hamburg.

Werckmeisters Forschungen konzentrieren sich auf frühmittelalterliche und romanische Kunst, auf die politische Geschichte der Kunst in den beiden Weltkriegen und der Zwischenkriegszeit, sowie auf Theorie und Historiographie der Kunstgeschichte. Zu seinen Büchern zählen Ende der Ästhetik, Frankfurt, 1971; Ideologie und Kunst bei Marx und andere Essays, Frankfurt, 1974; Versuche über Paul Klee, Frankfurt, 1981; The Making of Paul Klee’s Career, 1914–1920, Chicago, 1989; Zitadellenkultur, München 1989 (englische Ausgabe: Citadel Culture, Chicago, 1991); Linke Ikonen, München 1997 (englische Ausgabe: Icons of the Left, Chicago, 1999); Der Medusa Effekt, Berlin, 2005; Die Demontage von Hans Bellmers Puppe, Berlin 2011.

Werckmeisters Position in der Kunstgeschichte wird in einer Diskussion erörtert, die in der Festschrift zu seinem sechzigsten Geburtstag erschien: “‘Radical Art History’: Ein akademisches Gespräch über O. K. Werckmeister”, in: Wolfgang Kersten, ed., Radical Art History: Internationale Anthologie—Subject O. K. Werckmeister,  Zürich, 1997, pp. 11–27.