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16. Februar 2012, Universität Zürich, Kunsthistorisches Institut
Rämistrasse 73, 8006 Zürich, Raum: RAK-E-8
17. Februar 2012, Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA)
Zollikerstrasse 32 (Nähe Kreuzplatz), 8032 Zürich
PD Dr. Michael Gnehm (ETH/Universität Zürich)
Prof. Dr. Evonne Levy (University of Toronto)
Prof. Dr. Daniela Mondini (Università della Svizzera italiana)
Prof. Dr. Tristan Weddigen (Universität Zürich)
Die zweitägige internationale Tagung ist zwei Gründerfiguren der Kunstgeschichte in der Schweiz gewidmet, die beide an der Universität Zürich tätig waren. Johann Rudolf Rahn (1841–1912) und Heinrich Wölfflin (1864–1945) waren das Fach prägende Kunsthistoriker mit zwar verschiedenen, aber sich auch ergänzenden Ansätzen, die beide im internationalen Vergleich eine bedeutende Wirkung entfalteten. Die Tagung versteht sich als Beitrag zu einem längerfristigen Projekt, die Geschichte der Kunstgeschichte und ihrer Institutionen in der Schweiz im europäischen Kontext umfassend darzulegen und damit ein Desiderat des Faches aufzunehmen.
Rahn hatte mit seiner Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz (1876), die ihm den Ruf des «Vaters der schweizerischen Kunstgeschichte» einbrachte, eine erste Gesamtdarstellung des schweizerischen Kunstschaffens vom Kleinen und Handwerklichen bis zu bildender Kunst und Architektur vorgelegt. Zusammen mit seiner Arbeit für ein erstes kunsttopographisches Inventar der Schweiz (ab 1872) erreichte er es, dass Werke der Schweizer Frühgeschichte bis zur frühen Neuzeit nicht mehr ausschliesslich als «Altertümer» angesehen, sondern – in ihrem Wert als «Kunstdenkmäler» – überhaupt als Kunstwerke behandelt wurden, die neben ihrem geschichtlichen Wert einen eigenen Kunstwert besitzen. Wölfflin, der ab 1924 in Zürich lehrte, versuchte, einen «historisch-kritischen» Ansatz, wie ihn Rahn anstrebte, rezeptionsästhetisch zu systematisieren, was in seine in zahlreichen Auflagen verbreiteten Kunstgeschichtlichen Grundbegriffe (1915) mündete. Dabei zeigt Wölfflins frühe Arbeit zu Salomon Gessner (1889) nicht nur, wie auch er vor dem Hintergrund des schweizerischen Kunstschaffens zu operieren begann, sondern auch, wie er das Forschungsfeld über eine Verlagerung des Fokus von dem bei Rahn vordringlich behandelten Mittelalter auf die Neuzeit zeitlich wie räumlich ausweitete.
Rahns Wirken besitzt über seine wissenschaftliche Herkunft – er studierte bei Wilhelm Lübke in Zürich und bei Anton Springer in Bonn – einen internationalen Charakter, der über seine Schüler und Nachfolger in der Schweiz weitergereicht wurde. Aspekte davon werden anhand von Rahns Kunstgeschichtskollegen an der Universität Zürich, Friedrich Salomon Vögelin, sowie Rahnschülern wie Robert Durrer und Josef Zemp, diskutiert. Die von letzteren ab 1927 in der Buchreihe «Kunstdenkmäler der Schweiz» auf die Neuzeit ausgeweitete Betrachtung wurde vom Wölfflinschüler Joseph Gantner mit der nach Rahn zweiten Gesamtschau einer Kunstgeschichte der Schweiz (ab 1936) zusammengefasst. U. a. mit Gantners Ansatz wird deutlich, dass Wölfflins «Formalismus» zugleich eine Historisierung des Sehens und damit eine Aktualisierung des historischen Zugangs des 19. Jahrhunderts bedeutete. Dies zeigt sich in Bezug auf Aby Warburgs Rezeption von Wölfflins Grundbegriffen, aber auch über Ansätze der Wiener Kunstgeschichte oder Erwin Panofskys Kritik an Wölfflin sowie mit der bis weit ins 20. Jahrhundert hineinreichenden Wölfflinrezeption. Die im Fokus stehenden Grundbegriffe können dabei als jüngst eher in Misskredit gefallenes kunstgeschichtliches Erbe neu gelesen und in ihren eigenen Verpflichtungen gegenüber Sozial- und Kontextgeschichte neu bewertet werden. Mit Wölfflins Kontakten zur zeitgenössischen Kunst wird zudem sein eigenes zeichnerisches Interesse als Mittel kunstgeschichtlicher Aneignung, das er mit Rahn teilte, zur Diskussion gestellt.
Die Tagung ist eine Kooperation des Kunsthistorischen Instituts der Universität Zürich, der Accademia di architettura der Università della Svizzera Italiana, der University of Toronto, der Graphischen Sammlung der Zentralbibliothek Zürich und des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA). Sie findet parallel zu der in der Zentralbibliothek Zürich gezeigten Ausstellung «Johann Rudolf Rahn (1841–1912): Zeichnender Forscher und Pionier der Denkmalpflege» statt. Als Ergänzung zeigt das Kunsthistorische Institut der Universität Zürich eine Kabinettausstellung zu Wölfflins Zürcher Zeit. Die Wölfflins Kunstgeschichtlichen Grundbegriffen gewidmeten Sektionen leisten zusätzlich Vorbereitungsarbeiten für die 2015 bei Getty Publications erscheinende neue und kommentierte englischsprachige Übersetzung. Als grösserer Rahmen dieser Übersetzung der Grundbegriffe schliessen an die Zürcher Tagung weitere, der Rezeption von Wölfflins Grundbegriffen vor allem im amerikanischen Raum gewidmete Veranstaltungen an.
Rahns Umfeld (Moderation Matthias Noell, Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle)
Zeichnerisches Dokumentieren (Moderation Johannes Rössler, Klassik Stiftung Weimar/Universität Jena)
Denkmalpflege in der Schweiz um 1900 (Moderation Nott Caviezel, Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege Bern/TU Wien)
Rahn und die Folgen (Moderation Hubert Locher, Philipps-Universität Marburg)
Ausstellungsbesuch
Johann Rudolf Rahn (1841–1912): Zeichnender Forscher und Pionier der Schweizer Denkmalpflege
Abendvortrag (Zentralbibliothek Zürich)
Grundbegriffliches zu Wölfflin (Moderation Tristan Weddigen, Universität Zürich)
Wölfflin und die Kunstgeschichte seiner Zeit (Moderation Michael Gnehm, ETH/Universität Zürich)
Wölfflins Bildwissenschaft (Moderation Michael Gnehm, ETH/Universität Zürich)
Wölfflin, Kunst und Kritik (Moderation Evonne Levy, University of Toronto)
Zentralbibliothek Zürich, Schatzkammer im Predigerchor
27. Oktober 2011–25. Februar 2012
Vernissage: Mittwoch, 26. Oktober, 18.15 Uhr