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Dr. Julia Gelshorn, Dr. Stefan Neuner
Tutor: Fabian Schöneich
KOL-F-117
ACHTUNG! Am 6. Oktober 2009 fällt die Vorlesung wegen Exkursion nach Venedig aus.
Als signifikantestes Ereignis der Kunstentwicklung nach 1945 gilt mit Recht die "Überwindung" der Malerei: die Kritik des illusionistischen Bildes der europäischen Tradition und der davon ausgehende Vorstoß zu künstlerischen Praktiken, sie sich "direkt" im "realen" Raum-Zeit-Gefüge situieren (Installationskunst, Performance, Land Art usf.). Die Vorlesung wird sich mit künstlerischen Positionen beschäftigen, die in den 1950er, 60er und 70er Jahren gegen die allgemeine Tendenz an der Malerei festgehalten und dabei die einfache Identifikation von ästhetischer Radikalität und Ikonoklasmus in Frage gestellt haben. Es soll gezeigt werden, wie die Malereikritik der Neo-Avantgarden bei Malern wie Gerhard Richter, Sigmar Polke, Emilio Vedova, Jasper Johns u.a. reflektiert wurde und auf je verschiedene Weise zu einer grundlegenden Revision des neuzeitlichen westlichen Bildbegriffes führte.
Dr. Nina Zschocke
Tutorin: Karolina Machalica
Giorgio de Chirico beschreibt 1919 jenen Moment eindringlich, in dem das „kontinuierliche Band der Erinnerung an die Beziehungen zwischen der Umwelt und uns“ abreisst und eine vertraute Szene Verwunderung, Staunen, auch Schrecken auslöst. Gibt hier der Alltagsgegenstand den Blick auf seine „metaphysischen Aspekte“ frei, so sieht Sigmund Freud – im gleichen Jahr – am „unheimlichen“ Objekt verdrängte Vorstellungen und verborgene Ängste hervorbrechen. Ausgehend von diesen und weiteren theoretischen Positionen widmet sich die Übung der Bedeutung jener rätselhaften Gegenstände in der modernen und zeitgenössischen Kunst, die sich ebenfalls – obwohl häufi g vordergründig alltäglich und vertraut – an der Grenze zum Unbekannten aufhalten. An Beispielen solcher Wahrnehmungsobjekte, deren Identität und Wesen seltsam undefi niert oder verschleiert bleiben, die höchstens unscharfen Begriffen entsprechen, durch deren Vertrautheit hindurch das Fremde schimmert oder die mit jenem Unbekannten konfrontieren, das in Abstraktions-, Übersetzungs- und Experimentationsprozessen aus Bekanntem immer neu hervorgebracht wird, verfolgen wir die Krise des Verstehens, den sich wandelnden Charakter und die sich verändernde Rolle rätselhafter Objekte in der Kunst bis in die Gegenwart.
Referatsthemen:
01: Pissoir. Marcel Duchamp: Fountain, 1917.
02: Tasse. Meret Oppenheim: Objekt (Déjeuner en fourrure), 1936.
03: Kiste. Andy Warhol: Brillo Box, 1964.
04: Haus I. Fischli/Weiss: Haus (in Münster), 1984 – 1987.
05: Kuscheltier. Mike Kelley: Half a Man, 1987.
06: Stein. Anish Kapoor: Adam, 1988 – 1989.
07: Automobil I. Charles Ray: Firetruck, 1993.
08: Praliné. Jeff Koons: Baroque Egg with Bow, 1994 – 2008.
09: Automobil II. Patricia Piccinini: Car Nuggets, 1998.
10: Automobil III. Tobias Rehberger: Lap-Ped, 2001.
11: Souvenir. Katharina Fritsch: Frau mit Hund, 2004.
12: Kubus. Carsten Nicolai: anti, 2004.
13: Kartoffel. Erwin Wurm: Mind-Bubbles, 2007.
14: Haus II. R&Sie(n): i‘mlostinParis, 2008.
15: Haus III. Thomas Demand & Caruso St. John Architects: Nagelhaus, 2009 – 2012.
Lic. phil. Marcel Bleuler (Lehrbeautragter)
In der praxis-orientierten Übung dokumentieren die Studierenden zeitgenössische Kunst-Projekte (Performances
und installative Arbeiten) und publizieren die Dokumentationen auf eigenen Blogs
(einzeln oder in kleinen Gruppen).
Ziel der Veranstaltung ist es, neuartige, multimediale
Dokumentationsverfahren zu erproben und den Umgang mit webbasierten Medien zu entwickeln. Die
Studierenden arbeiten hauptsächlich selbstständig (anhand eines konkreten Arbeitsauftrags), wobei wöchentliche
Sprechstunden erwünscht sind.
Herkömmliche Kunst-Dokumentations-Verfahren stossen in Anbetracht der Spielarten zeitgenössischer Kunst an
ihre Grenzen. Seit den 1960er Jahren ist die Praxis der visuellen Kunst immer mehr in theatralische
Dimensionen vorgedrungen. Klassische Medien wie Malerei oder Skulptur haben an Relevanz eingebüsst und
performative oder ephemere Kunstformen prägen den zeitgenössischen Kunstbetrieb. Trotz der veränderten
Vorgehensweise der visuellen Kunst hat es die Kunstgeschichte versäumt, auch die Kunst-Dokumentation
adäquat weiterzuentwickeln.
Das heisst: Wir verfügen nicht über die Methoden, ephemere Kunst befriedigend
aufzuzeichnen und zu überliefern. Bis heute wird Kunst mit Einzelbildern (Fotografie, Videostills), einer
Angaben zu Autorschaft und Materialität und eventuell einer programmatischen Beschreibung dokumentiert.
Zeitgenössische Kunstformen führen aber vor Augen, dass dieses Dokumentations-Modell völlig überholt ist,
weder die performative Dimension von Kunst kann so aufgenommen werden, noch kann nachvollziehbar
gemacht werden, wie ein Kunstwerk für die Zuschauer erlebbar war.
Die Entwicklung neuer Dokumentationsverfahren ist also dringend nötig. Während die Kunstgeschichte hier
keine Innovationen geliefert hat, finden sich im Internet verschiedenste multimediale Kunst-Dokumentationen
und Darstellungen, an denen wir uns im Rahmen der Lehrveranstaltung orientieren wollen: Plattformen wie arttv.
ch, youtube und nicht zu letzt facebook gelten für uns als Modelle, um die Kunst-Dokumentation
weiterzuentwickeln. Den Studierenden wird das Format des Blogs vorgegeben, innerhalb des Blogs stehen ihnen
aber alle Medien (Text, Fotografie, Audio-Aufnahme, Video) offen, um individuelle und subjektive
Kunstdokumentationen herzustellen.
Die Lehrveranstaltung ist Teil des Forschungsprojekts Documenting ephemeral art des Lehrstuhls für moderne
und zeitgenössische Kunst und des Lehrstuhls für Informations-Systeme (ETH Zürich). Die
Blogs werden in der Datenbank des Forschungsprojekts archiviert.