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Kunsthistorisches Institut

WS 05/06 Christusreliquien

(Historisches Seminar, Universität Basel) zusammen mit

(Kunsthistorisches Institut, Universität Zürich)

Übung, Do 14-18 Uhr (14-tägig, abwechselnd in Basel und Zürich)

Zürich: 27. Okt., 24. Nov., 22. Dez. 2005

Basel: 10. Nov., 8. Dez. 2005, 12. Jan., 26. Jan., 9. Feb. 2006

Die anfallenden Fahrtkosten werden von der Universität Basel übernommen

Christusreliquien – vom Körper des Herrn 

Der heiligste aller Körper, der Leib des Herrn, ist zugleich der verbotenste. In „all’ seinen Teilen aufgefahren zum Himmel“, existiert er bis zum Beginn des zwölften Jahrhunderts nicht. Erst dann versucht man, mit allen Mitteln diesen aufgefahrenen Leib sichtbar und erfahrbar zu machen. Christus ist nicht nur mittels Visionen oder als Heilige Speise beim Abendmahl bei uns und in uns, sondern alle erdenklichen Reste, Fingernägel, Haare, Milchzähne und 17 Vorhäute lassen Christus in Fragmenten “auferstehen“, stiften heilige Orte und garantieren seine Präsenz im Diesseits. Unmittelbar nachdem die ersten Christusreliquien am Ende des elften Jahrhunderts auftauchen, übt Guibert de Nogent heftige Kritik, und keine hundert Jahre später ist für Theologen die dogmatische Diskussion mit einem Traktat von Innozenz III. bereits abgeschlossen. In Kunst, Volksfrömmigkeit, für die Schreiber und Dichter von Legenden und besonders die Reliquienhändler fängt das himmlische Vergnügen hingegen erst richtig an.  

In der Übung werden wir fragen, wie kann man das Verhältnis zwischen der unmöglichen körperlichen Präsenz Christi und deren Übermacht als materieller Beweis – die Reliquien von Christus – erklären? Warum ist trotz dieses Paradoxon die Geschichte dieser Reliquien eine solche Erfolgsgeschichte? Wir werden darüber nachdenken, warum Kunstwerke, die den Körper Christi plastisch nachbilden oder zeigen, sofort wundertätig werden müssen. Warum schreibt sich Christus mit seinen Zeichen in den Körper des Heiligen Franziskus ein? Wie werden Sakraltopographien ausgebildet, wer schenkt Christusreliquien an wen und warum? Wie unterscheiden sich die Legitimationsstragien von Christusreliquien zu anderen Formen der Authentizität des Sakralen?

Für mögliche Antworten auf diese Fragen werden wir Traktate, Heiligenviten, Visionen, Blut- und Körperreliquien, die Strategien ihrer Inszenierung in Reliquiaren, Liturgie und Kirchenraum und Bilder analysieren. In den wissenschaftlichen Umgang mit derartigen Quellen wird ebenso eingeführt, wie gattungsübergreifende und nicht auf eine Disziplin beschränkte Ansätze und Methoden vorgestellt, praktiziert und diskutiert werden.

Zur einführenden Lektüre empfehlen wir:

Bynum, Caroline Walker: Resurrection, heresy and Burial ad Sanctos, in: The Resurrection of the Body, New York 1995, S. 200-225

Wolf, Gerhard: Leib - Kiste - Bild, in: Glaube, Hoffnung, Liebe, Tod, hg. v. Ch. Geissmar-Brandi u. E. Louis, Wien 1995, S. 462-463.

Ders.: Vera icon: Das Paradox des wahren Bildes, in: Glaube, Hoffnung, Liebe, Tod, hg. v. Ch. Geissmar-Brandi u. E. Louis, Wien 1995, S. 430-433.