Navigation auf uzh.ch

Suche

Kunsthistorisches Institut

PD Dr. Michael Gnehm

Gastprofessor

im Frühjahrssemester 2010 am Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Neuzeit (Vertretung Prof. Weddigen)

Lehrveranstaltungen HS10

Proseminar: Architektur und bildende Kunst: Positionen der Kunstgeschichte

Architektur ist integraler Teil der Kunstgeschichte. In jüngerer Zeit jedoch haben Spezialisierungen stattgefunden, kraft derer dieser Fakt in Forschung und Lehre eher selten zum Tragen kommt. Das Proseminar bietet neben der Diskussion zum Stand der Disziplin Kunstgeschichte die Auseinandersetzung mit ihren Positionen seit 1900 in Bezug auf Fallbespiele der Architektur und deren Verhältnis zur bildenden Kunst vor allem aus der Zeit des Mittelalters, der Renaissance und des Barock.

Programm

  • Stilfragen

Alois Riegl, Spätrömische Kunstindustrie (1901): Ravenna, S. Apollinare in Classe und S. Vitale

Heinrich Wölfflin, Kunstgeschichtliche Grundbegriffe (1915): G. L. Bernini

Paul Frankl, Die Entwicklunsgphasen der neueren Baukunst (1914): Die Bildform

Peter Meyer, Europäische Kunstgeschichte (1947): Die Architektur

  • Ikonologie

Erwin Panofsky, «Die Trepppe der Libreria di S. Lorenzo. Bemerkungen zu einer unveröffentlichten Skizze Michelangelos» (1922)

Erwin Panofsky, «Das erste Blatt aus dem ‹Libro› Giorgio Vasaris» (1930): San Petronio in Bologna

Richard Krautheiner, «Einführung zu einer Ikonographie der mittelalterlichen Architektur» (1942): Kopien der Jerusalemer Grabeskirche

Günter Bandmann, Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger (1951): Stadtgedanken und Kirchenbau

  • Strukturanalyse

Hans Sedlmayr, «Zum Sehen barocker Architektur» (1930): Stift Melk

Hans Sedlmayr, «Beispiel zur Interpretation» (1956/58): Fischer von Erlachs Karlskirche in Wien

Werner Gross, Die abendländische Architektur um 1300 (1948): Die Florentiner Badia

Erich Hubala, «Guarineskes an der Fassade der Münchner Dreifaltigkeitskirche» (1972)

  • Kulturgeschichte

Hans Rose, Spätbarock (1922): Wandbildung der Zimmer

Sigfried Giedion, Spätbarocker und romantischer Klassizismus (1922): Die Innenwand

Nikolaus Pevsner, Europäische Architektur (1943/1957): L. B. Alberti

Ernst Gombrich, «Antike Regeln und objektive Kriterien» (1967): Filippo Brunelleschis Baptisterium

  • Repräsentation und Rezeption

Rudolf Wittkower, «S. Maria della Salute: Scenographic Architecture and the Venetian Baroque» (1957/1963)

Stanislaus von Moos, «Der Palast als Festung: Rom und Bologna Papst Julius II.» (1978)

Robin Evans, «Figures, Doors, Passages» (1978): Raffaels Villa Madama

Wolfgang Kemp, «Kommunikative Distanz» (2002): Der Trier Dom

Allgemeine Literatur

Betthausen, Peter, Peter H. Feist und Chritiane Fork (Hg.), Metzler Kunsthistoriker Lexikon, 2., akt. und erw. Aufl., Stuttgart/Weimar: Metzler, 2007.

Dilly, Heinrich (Hg.), Altmeister moderner Kunstgeschichte, 2., durchges. Aufl., Berlin: Reimer, 1999.

Kemp, Wolfgang, Architektur analysieren. Eine Einführung in acht Kapiteln, München: Schirmer/Mosel, 2009.

Murray, Chris (Hg.), Key Writers on Art: The Twentieth Century, London/New York: Routledge, 2003.

Pfisterer, Ulrich (Hg.), Klassiker der Kunstgeschichte, 2 Bde., München: Beck, 2007.

Podro, Michael, The Critical Historians of Art, New Haven: Yale University Press, 1982.

Lehrveranstaltungen FS10

Vorlesung: Manierismus in der Architektur

‹Manierismus› ist ein schillernder Begriff zur Bezeichnung künstlerischer Manifestationen vor allem des 16. Jahrhunderts, deren Ausprägungen in der Architektur sich die Vorlesung widmet. Inwiefern im Manierismus die «Krise der Renaissance» und damit der «Ursprung der modernen Kunst» begegnen mögen (Arnold Hauser), lässt sich auch an manieristischer Architektur diskutieren. Während ältere Untersuchungen sich der Frage widmeten, ob ‹Manierismus› als Epochenbezeichnung oder Stilbegriff tauge, legen neuere Reflexionen zur Begriffsgeschichte einen anderen Fokus nahe. Die Frage, inwiefern der Begriff Manierismus übertragbar, also verallgemeinerbar ist, lenkt auf das Problem, ob eine manieristische Charakteristik des Regelverstosses (licenzia) zur Regel und damit zum Vorbild zeitlich und örtlich verschiedener Architekturen werden kann. Verhältnisse von Zentrum und Peripherie oder von ‹Norden› und ‹Süden›, fordern Ausdifferenzierungen, denen zufolge die Frage nach dem Mass des ‹Masslosen› je verschieden beantwortet werden muss. Abhandlungen italienischer Theoretiker des 16. und 17. Jahrhunderts unter dem Titel Idea legen manieristischen Manifestationen einen Begriff zugrunde, der zudem Architektur nicht nur mit den anderen Bildkünsten, sondern auch mit der Poesie, deren Freiheiten (licentia poetae) und gesellschaftlichen Konzeptionen in ein Verhältnis (paragone) setzt, das einerseits die Einfluss- und Wirkungsvielfalt ahnen lässt, andererseits aber auch das besondere manieristische Interesse von Architekturkritikern aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachvollziehbar macht.

Seminar: Die Perspektive in Bewegung

Wenn Sebastiano Serlio in seinem Perspektivtraktat (1545) sich dafür entschuldigt, dass die Abbildungen zu den von ihm beschriebenen Perspektivkonstruktionen wegen der Kleinheit des zur Verfügung stehenden Platzes nicht genau genug werden konnten, spricht er nicht nur, aber auch Probleme des Buchdrucks an. Die mit dem Buchdruck gegebenen Möglichkeiten und Einschränkungen von Illustrationen haben mit der Verbreitung der Perspektive eigene Darstellungskonventionen mit sich gebracht, deren Herausbildung und Wandel das Seminar in Bezug auf die Reproduktion von Bildern und Bauten in Büchern sowie deren Ausgreifen in die gemalte und gebaute ‹Realität› nachgeht. Behandelt werden Übergänge von Manuskripten des Mittelalters zu Drucken der Renaissance, Konstruktions- und Bedeutungsebenen der Perspektive, Vereinnahmungen vom und Abgrenzungen zum Blick in der islamischen Welt und der damit einhergehenden Sehtheorien, die vom Orientalischen sich beeindruckt zeigenden ‹nordischen› Perspektiv- und Architekturtraktate mit ihrer Freude am Arabesken und an Anamorphosen (Jamnitzer, Stöer, Vredeman de Vries). Ein besonderer Fokus gilt der Rolle derartiger ‹Raumbilder› in Bezug auf die Strukturierung komplexer Buchkompositionen zu Kunst und Wissenschaft (z.B. bei Samuel Marolois).

Lehrveranstaltungen HS09

Proseminar: Bücher. Bauten, Burlesken: Venezianische Architekturtheorie in der Renaissance Europas

Für die venezianische Architekturtheorie der Renaissance steht der Name Andrea Palladio gleichsam als Chiffre. Dass es sich um ein Pseudonym handelt, legt nahe, die damals mit langem Erfolg umgesetzte ‹klassische› Neubegründung architekturtheoretischer Grundsätze unter dem Aspekt gesellschaftlicher Anverwandlung und theatraler Inszenierung zu untersuchen. Das Proseminar verfolgt diese dramaturgisch-literarische Seite der Architektur anhand ihrer venezianischen Ausstrahlungen: Von der in Venedig publizierten Hypnerotomachia Poliphili über das Verhältnis Palla-dios zum Rhetoriker und Vitruv-Kommentatoren Daniele Barbaro bis zu venezianischen Adaptionen im Frankreich François Rabelais’ oder der bühnentechnischen Arbeit Inigo Jones’ für die Masques des englischen Dramatikers Ben Jonson. Bezüglich der Rolle des Karnevalesken in der Renais-sance-Architektur werden kunstgeschichtliche Ansätze im Gefolge Rudolf Wittkowers im Vergleich mit kulturwissenschaftlichen Diversifizierungen im Anschluss an Michail Bachtin diskutiert.

Lebenslauf

Geboren in Zürich; Studium der Kunstgeschichte, Vergleichenden Literaturwissenschaft und Philosophie in Zürich; 1994 Lizentiat, Universität Zürich; 2002 Promotion, Universität Zürich; 2010 Habilitation, ETH Zürich; Studienaufenthalt in Paris, École des Hautes Études en Sciences Sociales; 1999–2006 Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent an der ETH Zürich, Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta), Lehrstuhl Prof. Dr. Werner Oechslin; 2005–2006 Lehrbeauftragter an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich; 2006 Prix Jubilé der Schweizerischen Akademie für Geistes- und Sozialwissenschaften; 2006–2009 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ETH Zürich, Institut gta, Lehrstuhl Prof. Dr. Andreas Tönnesmann; 2007–2009 Lehrbeauftragter an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel; 2008 Lehrbeauftragter an der ETH Zürich, Departement Architektur; 2009–2010 Lehrbeauftragter an der Universität Zürich, Kunsthistorisches Institut, FS 2010 ebd. Gastprofessor (Vertretung Prof. Dr. Tristan Weddigen).

Publikationen

Bücher

(Hg.), Gottfried Honegger. Arbeiten im öffentlichen Raum, Zürich: gta, 2007.

(Hg., mit S. Claus, B. Maurer, L. Stalder), Architektur weiterdenken. Werner Oechslin zum 60. Geburtstag, Zürich: gta, 2004.

Stumme Poesie. Architektur und Sprache bei Gottfried Semper, Zürich: gta, 2004.

Ausgewählte Aufsätze

"Hauspolitik: Architektonische Bildlichkeit und Beschreibung", in: A. Beyer, M. Burioni, J. Grave (Hg.), Das Auge der Architektur. Zur Frage der Bildlichkeit in der Baukunst, München (im Erscheinen).

"Im 'Conflicte beider Prinzipien': Gottfried Sempers theatraler Urbanismus", in: Jean-Louis Cohen, Hartmut Frank (Hg.), Fabrikation und Fiktion der Grossstadt. Frankreich – Deutschland 1850–1950 (Publikation des Deutschen Forums für Kunstgeschichte Paris, Reihe "Passagen"; im Erscheinen).

"Traduire Semper: philologie et idéologie architecturales", in: Perspective. La revue de l’Institut national d'histoire de l’art, 2, 2008, S. 349–355.

"Visualisations architecturales: Les Opera mathematica de Samuel Marolois", in: Jean-Philippe Garric, Valérie Nègre, Alice Thomine-Berrada (Hg.), La construction savante. Les avatars de la littérature technique, Paris: Picard, 2008, S. 137–148.

"'Sein Hirn gleich einem Magneten in den Fylspönen'. Karl Nikolaus Langs Sammlung von Bildersteinen", in: Benno Schubiger (Hg.), Sammeln und Sammlungen im 18. Jahrhundert in der Schweiz, Genève: Slatkine, 2007 (Travaux sur la Suisse des Lumières; 10), S. 379–414.

"'L’origine secondaire': Semper et Viollet-le-Duc sur les traces d’une histoire culturelle de l’architecture", in: eaV, revue de l’école d’architecture de Versailles, 12, 2006/07, S. 62–71.

"Die 'alte und newe manier' in Vredeman de Vries’ Perspektive", in: Heiner Borggrefe, Vera Lüpkes (Hg.), Hans Vredeman de Vries und die Folgen, Marburg: Jonas Verlag, 2005 (Studien zur Kultur der Renaissance; 3), S. 190–198.

"'Cum auctoritate et ratione decoris' – Bildinterpretationen in den Vitruv-Kommentaren W.H. Ryffs", in: Frank Büttner, Gabriele Wimböck (Hg.), Das Bild als Autorität. Die normierende Kraft des Bildes, Münster: Lit Verlag, 2004 (Pluralisierung und Autorität; 4), S. 129–156.

"Druckgeschichte und Bibliographie: W.H. Ryffs Vitruuius Teutsch", in: Scholion, 3, 2004, S. 175–180.

"'Kritik gegenwärtiger Zustände' als Ursprungskritik – zum 3. Bd. des Stil", in: W. Nerdinger, W. Oechslin (Hg.), Gottfried Semper 1803–1879: Architektur und Wissenschaft, München [etc.]: Prestel/Zürich: gta, 2003, S. 314–320.

Beiträge zu Zürcher KünstlerInnen, in: Schweizer Lexikon, 6 Bde., Luzern: Mengis + Ziehr, 1991–1993 (Volksausg. 1998/99), u.a. "Bill, Max", "Rahn, Johann Rudolf", "Stanzani, Emilio", "Taeuber-Arp, Sophie", "Trippel, Alexander", "Vogel, Ludwig", "Walser, Karl", "Wüest, Johann Heinrich".

Weiterführende Informationen

Title

Teaser text