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Kunsthistorisches Institut

SNF-Projekt

Formation und Pluralisierung nationalstaatlicher Kunstförderung in der Schweiz seit 1950: Wandel von Zugangsbedingungen, Märkten und symbolischer Wertproduktion

Prof. Dr. Jakob Tanner, Prof. Dr. Philip Ursprung, Laufzeit 2010-2013

Die Schweizer Kulturpolitik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist geprägt durch einen in den 1950er Jahren einsetzenden Pluralisierungsprozess, der das Spannungsfeld von Kunst und Nation massgeblich beeinflusst hat. Im Zuge einer zunehmenden Vernetzung der supranationalen Gemeinschaften sowohl im Bereich des Kulturellen als auch des Ökonomischen werden die Fragen nach dem Eigenen, nach dem Gewordensein von vermeintlich gefestigten Identitäten stetig neu formuliert. Gerade für die nationalstaatliche Kunstförderung und der daran gekoppelten kulturellen Reputation erweisen sich die Suche nach einer 'Schweizer Kunst' und die damit einhergehende nationale Selbstthematisierung als zentral. Förderungskriterien und -strategien für Kunst und Künstler werden sowohl durch staatliche als auch nicht-staatliche Akteure stets neu ausgehandelt. Damit verschieben sich Deutungshoheiten und es verändern sich die Bedingungen für die symbolische Wertproduktion. Die dadurch ausgelösten Kontroversen um die Definition einer nationalen Kultur und um die internationalen Geltungskriterien von Kunst werden in diesem Projekt im Zeitraum von 1950 bis zur Gegenwart untersucht. Der Fokus liegt auf dem Bereich der bildenden Kunst, die eine bis ins ausgehende 19. Jahrhundert zurückreichende Förderungstradition aufweist. In den 1950er Jahren ereignete sich in künstlerischer Hinsicht ein (gegenüber der Politik frühzeitiger) Bruch mit der Geistigen Landesverteidigung, die vorher die gegenständliche Kunst stark prägte. Insbesondere die 1960er Jahre zeugen – durch das Auftreten neuer, nicht-staatlicher Akteure, durch die Ausweitung von Finanzierungsgrundlagen für Kunstförderung sowie durch die Pluralisierung ästhetischer Positionen – von der Auflockerung der kulturpolitischen Strukturen. Die Übersichtlichkeit, die die schweizerische Kunstproduktion in ihrer Formationsphase charakterisierte, wich einer Fragmentierung, welche die Förderpolitik herausforderte. Die oft widersprüchlichen Bewertungsvorgänge im Kunstbereich lösten sich in jenem Moment von der staatlichen Förderpolitik, als diese zunehmend besser ausgestattet und professionalisiert wurde.

Das Projekt konkretisiert diese Problematik in zwei interdependenten Teilen: Das erste Teilprojekt (Gioia Dal Molin, Hauptbetreuer Prof. Dr. Jakob Tanner) untersucht die Produktion symbolischer Werte im Schweizer Kunstbetrieb des 20. Jahrhunderts, mit Fokus auf die Zeit zwischen den 1950er und den 1980er Jahren. Aufgrund des reichhaltigen Quellenmaterials lassen sich die Aushandlung eines Selbstverständnisses und einer Produktionsweise von Kunst ebenso beleuchten, wie die Marktpreisbildung auf einzelnen Segmenten des expandierenden Kunstmarktes. Das zweite Teilprojekt (Patrizia Keller, Hauptbetreuer Prof. Dr. Philip Ursprung) analysiert die symbolische Wertproduktion im Schweizer Kunstsystem von den 1980er Jahren bis in die Gegenwart. Dabei geht es um die Bedeutung der unterschiedlichen Förderinstanzen für den Kunstschaffenden von heute – als Selbstvermarkter und global-player – und um die Relevanz, welche hierbei beispielsweise den Verkaufsmessen (Art Basel etc.) zukommt. Beide Teilprojekte ziehen die Archivbestände von staatlichen Institutionen wie der Pro Helvetia, der EKK und des BAK bei. Zusätzlich zu den Quellen staatlicher Institutionen werden Archive privater Stiftungen und Galerien sowie der Art Basel berücksichtigt. Weiter werden Interviews mit (ehemaligen) EKK-Mitgliedern, staatlich/nicht-staatlich geförderten Kunstschaffenden und den dafür verantwortlichen Stellen geführt. In theoretischer Hinsicht basieren die beiden Arbeiten auf (kunst-)historischen und kultursoziologischen Ansätzen, insbesondere Pierre Bourdieus Ausführungen zum kulturellen Feld und den verschiedenen Kapitalsorten. Diese werden mit Blick auf ökonomische Theorien kritisch evaluiert.

Bis anhin wurden Zusammenspiel von Marktprozessen und symbolischer Wertproduktion im Schweizer Kunstbetrieb von der Forschung kaum behandelt. Durch die Frage nach den Akteursgruppen und Aushandlungsprozessen in diesem Bereich verspricht das Projekt Aufschluss darüber zu geben, wie in der Schweiz Kunst produziert, bewertet, gefördert, gehandelt und im nationalen Rahmen sowie in transnationalen Zusammenhängen symbolisch valorisiert wurde. In politisch-gesellschaftlicher Hinsicht ermöglicht es die Vermittlung von Einsichten, die für die gegenwärtigen oft schwierig zu überblickenden Suchbewegungen im Bereich der Kunst- und Kulturförderung von Interesse sein können.

Das Projekt wird durch den Schweizerischen Nationalfonds finanziert und von Prof. Dr. Philip Ursprung und Prof. Dr. Jakob Tanner (Forschungsstelle für schweizerische Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Universität Zürich) betreut.

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